Mit grünem Daumen

Warum er seine
Blumen liebt

Er giesst sie alle von Hand. Stadtgärtner Thomas Wyss hegt und pflegt die Blumen auf der Kapellbrücke, wie wenn es seine eigenen wären.

Der Mann mit Herz und Geduld

Weshalb sich seine Arbeit nicht automatisieren lässt und in welchem Moment nur noch die Zeichensprache hilft.

Frühmorgens um fünf Uhr auf der Kapellbrücke: Thomas Wyss dreht den Schlüssel zum Vorraum des Wasserturms, rollt den 140 Meter langen Schlauch sorgfältig aus, öffnet den Wasserhahn und fängt an, die Blumen zu giessen. Kein Wasser tröpfelt aus vorinstallierten Bewässerungsschläuchen, im Gegenteil: Handarbeit und Erfahrung sind angesagt.

Stadtgärtner Thomas Wyss sorgt für den optimalen Wasserhaushalt und die Pflege der berühmtesten Blumen Luzerns. Dazu gehört auch, Verblühtes zu entfernen, die Kisten auf Schädlinge und Krankheiten zu kontrollieren und hin und wieder eine Pflanze zu ersetzen. Die Einsamkeit der frühen Morgenstunden mag er dabei genauso wie die Begegnungen mit Passanten und Passantinnen. Nur ungern überlässt er seine Pflanzen anderen, denn schon im Gewächshaus hat er eine Beziehung zu ihnen aufgebaut.

Beim Giessen der Pflanzen ist Handarbeit mit dem Gartenschlauch gefragt.
Jeweils bis Mai bleiben die für die Kapellbrücke bestimmten Pflanzen in den Gewächshäusern der Stadtgärtnerei.

Gespräch mit Stadtgärtner Thomas Wyss

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Wie lange dauert ein Giessrundgang?

Thomas Wyss: Fünf bis sechs Stunden. Wegen des Druckabfalls im langen Schlauch kommt nicht sehr viel Wasser vorne raus. Doch das Tempo gefällt mir, habe ich doch so genügend Zeit, die Pflanzen zu beobachten und zu bearbeiten.

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Und wie oft ist das nötig?

Das ist nicht immer gleich. Manchmal giesse ich alle fünf oder alle neun Tage, je nach Wetter. Im Mai brauchen die Pflanzen noch wenig Wasser, da reicht alle 14 Tage. Dann wird es immer wärmer, die Pflanzen werden grösser und brauchen daher mehr Wasser. Darum kann man das Giessen nicht automatisieren. Durchschnittlich giessen wir einmal in der Woche.

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Warum so früh am Morgen?

Damit ich die Passantinnen und Passanten möglichst wenig störe, und sie mich auch nicht. Zuerst bin ich allein auf der Brücke, bevor die ersten Jogger vorbeirennen. Dann wirds immer belebter, und es kommt zu spannenden Begegnungen. Ich werde oft angesprochen.

Manchmal braucht es einen Blitzeinsatz – etwa an einem heissen Sonntagnachmittag. Das macht mir nichts aus.
Thomas Wyss, Stadtgärtner

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Was erleben Sie?

Die meisten fragen mich für Tipps rund um die Pflanzenpflege oder wollen mich fotografieren. Manche Touristinnen schnappen mir gar das Giessgerät aus der Hand, um damit ein Selfie zu machen. Einmal habe ich sogar einen Stadtgärtner aus Sydney getroffen. Dabei spreche ich sehr schlecht Fremdsprachen. Man versteht sich aber immer irgendwie, etwa mit Zeichensprache. Und die botanischen Namen sind zum Glück auf der ganzen Welt gleich.

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Gibt es auch negative Erlebnisse?

Es werden hie und da Blüten abgeklemmt, einzelne Pflanzen ausgerissen oder Abfall zwischen den Blumen deponiert, besonders an Wochenenden oder nach Anlässen. Damit keine Kisten in der Reuss landen, montieren wir zusätzliche Bügel. Der Vandalismus hat aber eigentlich nicht zugenommen. Doch solche Vorkommnisse treffen mich immer persönlich. Es sind halt irgendwie meine Pflänzli.

Fünf bis sechs Stunden...
...dauert es, bis alle Pflanzen auf der Kapellbrücke mit Wasser versorgt sind.
Ihr Wissensdurst ist noch nicht gestillt?