Die Brandkatastrophe vom 18. August 1993

Ein Wahrzeichen steht in Flammen

Ein Brand zerstörte 1993 grosse Teile der Kapellbrücke in Luzern. Ursache dürfte eine achtlos weggeworfene Zigarette sein. Der Schaden ist immens.

Luzern weint um
sein Wahrzeichen

Am 18. August 1993 stand die Kapellbrücke in Flammen. Der Brand löste weltweite Reaktionen aus und zerstörte Dutzende der einzigartigen Dreieckbilder.

An die Nacht vom 17. auf den 18. August 1993 erinnern sich ältere Luzernerinnen und Luzerner noch sehr gut. Ein sich rasend schnell ausbreitendes Feuer zerstörte rund zwei Drittel der 205 Meter langen Kapellbrücke. Ein grosser Teil der tragenden Balken und des Dachs verbrannten. Bis heute ist die genaue Brandursache unbekannt. Von folgendem Szenario wird ausgegangen: Eine achtlos weggeworfene Zigarette setzte ein Boot unter der Brücke in Brand. Von dort griff das Feuer auf den Brückenboden über und weitete sich bis zum Dachgebälk der Kapellbrücke aus.

Explosionsartige Ausbreitung

Die Luzerner Feuerwehr stand vor einer grossen Herausforderung. Der Einsatz gestaltete sich wegen der Länge der Kapellbrücke äussert schwierig. Das Feuer breitete sich rasend schnell im Dachgebälk aus. Mitverantwortlich für die explosionsartige Ausbreitung waren Spinnweben in den Giebeln. In diesem dichten Geflecht staute sich die Hitze, und es sammelten sich Gase an, die sich schlagartig entzündeten. Innert zehn Minuten stand die Hälfte der Brücke in Vollbrand. Zum Glück konnte das Feuer wenig später an einer weiteren Ausbreitung gehindert werden. Die beiden Brückenköpfe und das Tragewerk konnten gerettet werden. Die Spuren und Brandabschnitte sind heute auf der Kapellbrücke gekennzeichnet und damit nachvollziehbar.

Die Flammen schiessen unter den Giebeln der Kapellbrücke hervor. Darunter sind brennende Boote zu sehen. Wahrscheinlich ging das Feuer von ihnen aus.
Verkohltes Gerippe: Die Kapellbrücke in der Brandnacht.

Brennende Souvenirs gefährden Wasserturm

Wegen der aufschiessenden Flammen war auch der hölzerne Oberbau des Wasserturms in Gefahr. Ein grosses Problem stellte dabei der Souvenirladen direkt beim Turm dar. Wegen der grossen Mengen an Plastiksäcken und Kunststoffen brannte es in diesem Bereich besonders heftig. Ein Löschen von der Brücke aus kam nicht in Frage, weil der Brückenboden durchgebrannt war. Deswegen verhinderte die Feuerwehr mit dem Einsatz von mehreren Wasserwerfern von der Bahnhofstrasse aus das Übergreifen des Feuers auf den Wasserturm. Die Temperaturempfindlichkeit des Sandsteines hatte allerdings zur Folge, dass die Oberfläche des Wasserturms stark beschädigt wurde. Der Sandstein platzte unter der grossen Hitze ab und riss bis zu 20 Zentimeter tiefe Löcher ins Gemäuer.

Historische Dreieckbilder verbrennen

Bei Anbruch des Tages wurde das volle Ausmass des Schadens sichtbar: Rund zwei Drittel der Kapellbrücke waren zerstört. Von den 111 Dreieckbildern, die sich zum Zeitpunkt des Brandes auf der Brücke befanden, waren 86 teilweise oder vollständig verbrannt. Der Luzerner Stadtrat (Stadtregierung) handelte sofort: Er beschloss noch am Tag des Brands, dass die Brücke – das Wahrzeichen der Stadt Luzern – wieder aufgebaut werden sollte. Mit ein Grund war, dass die Brücke im Laufe der Zeit immer wieder saniert und verändert worden war. Der Originalzustand war seit Längerem Vergangenheit. Das verbrannte Holz stammte grösstenteils aus der Zeit zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert. Im Zuge des Wiederaufbaus der Brücke wurde auch der Wasserturmes totalsaniert.

Dramatische Szenen aus der Brandnacht: Die Kapellbrücke steht in Vollbrand.

Erschütterung und grosse Trauer

Für die Luzerner Bevölkerung war der Brand der Kapellbrücke ein grosser Schock. Am Ufer der Reuss, auf der Seebrücke und auf dem Rathaussteg versammelten sich tausende Menschen, um sich das Unmögliche mit eigenen Augen anzusehen. Es herrschte Entsetzen, Fassungslosigkeit und Trauer, viele Leute hatten Tränen in den Augen. Die Reaktionen, welche die «LNN» in ihrer Spezialausgabe abdruckte, illustrierten den Schmerz der Bevölkerung: «Man sieht den Leuten an, was der Verlust für Sie bedeutet. Viele Menschen weinten.» Oder: «Das ist ein trauriger Anblick, der mich sehr schmerzt.» Und: «Es ist wie ein Todesfall und eine eigentliche Katastrophe für die Stadt Luzern.»

Schlagzeilen rund um die Welt

Der Brand entwickelte sich rasch zum Medienereignis. Journalisten und Journalistinnen von überall her reisten nach Luzern. Die «LNN» verteilten wenige Stunden nach dem Brand ein Sonderausgabe. Das Interesse ging über die Schweizer Grenzen hinaus: Medien berichteten weltweit über die Zerstörung des Luzerner Wahrzeichens. France Inter rief an, Radio Dubai, Radio Hongkong, Radio Johannesburg und ABC New York, um nur einige zu nennen. Das Ereignis war so einschneidend, dass es die Titelseiten von nationalen und internationalen Zeitungen und Magazinen zierte. «Luzern weint!» titelt der Schweizer «Blick». Auf der anderen Seite der Welt zeigt eine grosse japanische Tageszeitung ein Bild der lodernden Brücke und schrieb: «Ein Stück Schweizer Geschichte in Flammen.»

Extraausgaben von Luzerner Zeitungen über den Brand

Der umtriebige Verkehrsdirektor

Kurt H. Illi (✟ 2010) war von 1978 bis 2000 Verkehrsdirektor der Stadt Luzern und hatte rund um den Globus für «seine» Stadt geweibelt. Er war ein Aushängeschild und sowohl umtriebiger wie umstrittener Verkäufer von Luzern. Als die Kapellbrücke 1993 beinahe niederbrannte, posierte er unter den verkohlten Dachbalken und trug seinen Schmerz in die ganze Welt hinaus.

Ein Stück Schweizer Geschichte in Flammen
Japanische Zeitung

Ist eine Zigarette die Ursache?

Die Brandursache ist bis heute nicht mit Sicherheit geklärt. Am 20. Juli 1994 wurde die Untersuchung mangels Beweisen eingestellt. Eine achtlos weggeworfene Zigarette gilt als wahrscheinlichste Brandursache. Sie setzte ein Boot unter der Kapellbrücke in Brand und löste damit eine Kettenreaktion aus. Auch wenn die Täterin oder der Täter ausfindig gemacht werden könnte, würde sie oder er straflos bleiben. Straftaten wie Brandstiftung, eventual-vorsätzliche oder fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst verjähren nach 15 Jahren.

Im Winter 1993/94 sind die Aufbauarbeiten an der Kapellbrücke in vollem Gang.
Langsam nimmt die Kapellbrücke wieder ihre Form an. Oben rechts ist einer der unversehrten Brückenköpfe zu sehen.

Wiederaufbau innert acht Monaten

Bereits am Tag nach dem Brand begann die baugeschichtliche Untersuchung der Brückenkonstruktion. Da die noch vorhandenen Planunterlagen für einen Wiederaufbau zu wenig detailliert sind, waren Forscher und Forscherinnen rund zwei Monate lang damit beschäftigt, jedes Brückenteil zu fotografieren, aufzulisten, zu zeichnen und zu beschreiben. Jeder Balken wurde inventarisiert. Mitte November 1993 erfolgte die Baufreigabe. Die beschädigten, nicht reparierbaren Teile wurden abgebrochen, die unbeschädigten Ziegel zur Wiederverwendung geborgen. Bereits am 10. Februar 1994 fand eine kleine Aufrichtefeier nach alter Zimmermannstradition statt. Zwei weitere Monate später, am 11. April 1994, waren die 3,4 Millionen Franken teuren Bauarbeiten abgeschlossen.

Tränen der Freude bei Kurt H. Illi

Die Wiedereröffnung der Kapellbrücke am 14. April 1994 war von Feierlichkeiten begleitet. Rund 200 Journalisten und Journalistinnen aus aller Welt wohnten der Feier bei, das Schweizer Fernsehen übertrug live aus Luzern. Unvergessen sind dabei die Emotionen, die den damaligen Luzerner Tourismusdirektor Kurt H. Illi anlässlich der Wiedereröffnung der Kapellbrücke übermannten. Er war so ergriffen, dass das Wahrzeichen der Stadt Luzern wieder in vollem Glanz erstrahlt, dass er vor laufenden Kameras in Tränen ausbrach. Dieses Mal waren es Freudentränen, die in die ganze Welt hinausgetragen wurden und die Kapellbrücke wohl noch berühmter machten.

Der Wiederaufbau der Kapellbrücke wird sofort in Angriff genommen.

Brandschutz auf höchstem Level

Beim Wiederaufbau wurde vor allem dem Brandschutz grosse Beachtung geschenkt. Die Massnahmen sorgten auf der Brücke für umfassende Sicherheit. So gilt heute auf der Kapellbrücke ein striktes Rauchverbot. Eine häufigere Reinigung wirkt der Gefahr entgegen, dass sich erneut Hitzestaus durch Spinnweben bilden. Rauchmeldeanlagen, Wärmekabel und Blitzschutz sichern die Brücke zusätzlich. Ausserdem überwacht die Polizei jeden Abschnitt mit Videokameras. Eine Massnahme, die mit blossem Auge kaum sichtbar ist, betrifft die Brandschutzgläser zwischen den Dreieckbildern: Zwei Bilder sind jeweils durch eine Glasscheibe getrennt. So soll in einem Brandfall verhindert werden, dass sich die steigende Hitze und das Feuer unter dem Dach ausbreiten.

Das Medienereignis
Zeitungsartikel aus dem Archiv
Riesiges Medienecho rund um den Globus
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The Wall Street Journal Europe – 19.08.1993
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International Herald Tribune – 19.08.1993
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La Repubblica – 19.08.1993
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The Independant – 19.08.1993
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Tages-Anzeiger – 19.08.1993
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Le Monde – 28.08.1993
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