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Modernste Technik nach uraltem Grundprinzip

Energiegewinnung am Mühlenplatz

Mitten in der Stadt Luzern wird am Mühlenplatz seit Jahrhunderten die fliessende Kraft der Reuss zur Energiegewinnung genutzt.

Mechanische Energiegewinnung

Auf der Höhe des Mühlenplatzes erzeugt die Reuss seit jeher hohe Strömungsgeschwindigkeiten und bietet damit ideale Voraussetzungen für die Energiegewinnung.

Luzern gehört neben Zürich, Genf und Thun zu den wenigen Schweizer Städten, die an einem Seeabfluss liegen. Die Wassermenge sowie das künstliche Gefälle zwischen Oberwasser (Einlauf) und Unterwasser (Auslauf) erzeugen beim Eintritt in die Turbine einen höheren Druck, der sich gewinnbringend in Energie umwandeln lässt.

Dank der perfekten Lage direkt am Fluss wurden am heutigen Mühlenplatz bereits im Jahr 1178 die ersten Reussmühlen errichtet. Das Gelände mit seiner Nähe zur Spreuerbrücke diente als Werk- und Umschlagplatz und lag damals, gut geschützt durch die Befestigungsanlagen, noch am Stadtrand.

Im Lauf der Jahrhunderte erfolgten zahlreiche Erweiterungen und Umbauten. Über künstlich geschaffene Inseln, Kanäle und insgesamt elf Wasserräder wurden Mühlen, Schleifwerke, Stampfanlagen sowie das städtische Münzprägewerk betrieben. Die Kraftübertragung erfolgte mittels hölzerner Übersetzungsgetriebe und erbrachte seinerzeit eine geschätzte Leistung von rund 20 bis 25 Kilowatt.

 

Die Geburtsstunde des modernen Turbinenkraftwerks

Während des Brandes der Stadtmühlen von 1875 wurden mit Ausnahme der Getreide- und Gewürzmühle sämtliche Anlagen zerstört. In der Folge baute die Korporationsgemeinde zwischen 1887 und 1889 das erste Turbinenkraftwerk samt dazugehörigem Gewerbegebäude.

Der 1926 eingebaute Stromgenerator ermöglichte es den Betreibern, die gewonnene mechanische Energie in elektrischen Strom umzuwandeln. Ein Kammradantrieb übermittelte die erzeugte Wasserkraftenergie über verschiedene Getriebe in das Gewerbegebäude. Mit dem produzierten Strom konnten unter anderem die Strassenbahnen der Stadt Luzern versorgt werden.

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Die eingesetzten Jonval-Turbinen sind heute am ursprünglichen Standort in unmittelbarer Nähe zum jetzigen Kraftwerk als Zeitzeugen und Museumsstücke ausgestellt.
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Der Kammradantrieb übermittelt die erzeugte Wasserkraftenergie über verschiedene Getriebe in den 1926 eingebauten Stromgenerator im Gewerbegebäude.
Jahrhundertealte Tradition
Bereits im 8. Jahrhundert nutzte das zur Hofkirche gehörende Kloster nachweislich die Wasserkraft der Reuss.

Das Kleinwasserkraftwerk der Gegenwart

Irreparable Schäden erzwangen 1977 eine Stilllegung des Kraftwerks. Die Wiederinbetriebnahme erfolgte 1998.

Der vom Luzerner Stimmvolk mit grosser Mehrheit genehmigte Neubau «Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz» konnte am 4. April 1998 von den städtischen Werken Luzern in Betrieb genommen werden. Auf die zeitgenössischen technologischen Möglichkeiten adaptiert, folgt die heute eingesetzte moderne Technik noch stets dem gleichen uralten Prinzip wie die ersten Reussmühlen.

Laufwasserkraftwerke wie das Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz befinden sich an Flüssen. Entscheidend für die Leistung des Kraftwerks ist die Wassermenge sowie das Gefälle zwischen Oberwasser (Einlauf) und Unterwasser (Auslauf). Das künstliche Gefälle wird durch das Nadelwehr sichergestellt. Im Betrieb werden pro Sekunde bis zu 58 Kubikmeter Wasser auf die beiden Kaplan-Turbinen geleitet – zum Vergleich: eine grosse Badewanne fasst knapp einen Kubikmeter Wasser.

Die beiden Turbinen bestehen aus einem beweglichen Leitapparat mit 16 Schaufeln und einem Turbinenrad mit drei Schaufeln. Innerhalb der Turbinen wird ein Generator angetrieben, der die mechanische Energie in elektrische Energie umwandelt. Die beiden Maschinengruppen erbringen eine Leistung von 680 Kilowatt und produzieren jedes Jahr rund drei Millionen Kilowattstunden Strom. Damit werden heute 700 bis 1000 Haushalte mit 100 Prozent ökologischem Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt.

Gütesiegel «Naturemade Star»

Der im Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz gewonnene Strom trägt das Gütesiegel «Naturemade Star». Das Label ist ein Nachweis für Energie aus erneuerbaren und ökologischen Quellen. Dahinter steht der 1999 gegründete Verein für umweltgerechte Energie.

Nachhaltiger Strom für Generationen

1995 erteilte der Kanton Luzern der Betreibergesellschaft des Kleinwasserkraftwerks Mühlenplatz die Konzession für weitere 80 Jahre Betrieb. Fördergelder und kostendeckende Einspeisevergütungen (KEV) ermöglichen die Produktion höherwertiger Energie. Diese ist in der Herstellung zwar kostenintensiver, erzielt in der Vermarktung jedoch einen höheren Verkaufspreis.

Die Unterstützung und Förderung des Bundes sichert die Produktion von ökologischem Strom aus erneuerbaren Quellen nachhaltig und langfristig auch für die nachfolgenden Generationen.

Holzbrücken Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz Luzern René Buob Leiter Netz- und Kraftwerksführung EWL Luzern
Die Förderung erneuerbarer Energien und der Schutz von Tier und Umwelt sind für uns Anspruch und Motivation zugleich.
René Buob, Leiter Netz- und Kraftwerksführung ewl energie wasser luzern

Inspektion und Wartung

Auf ihrem täglichen Rundgang inspizieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ewl die Anlage, führen Sichtkontrollen durch, prüfen Öldruck, schmieren Lager und erledigen allgemeine Reinigungsarbeiten.

Die Revisionsarbeiten an den Turbinen orientieren sich an den Herstellervorgaben. Nach 100’000 Betriebsstunden, was ungefähr 11,5 Jahren Dauerbetrieb entspräche, müssen die Turbinen revidiert werden. Im Zuge einer mehrjährigen Erneuerungsplanung werden sukzessive elektronische und mechanische Einrichtungen modernisiert, um einen sicheren und zuverlässigen Betrieb der Anlage aufrecht zu erhalten.

Wahrlich ein Knochenjob

In den vergangenen Jahren hat der Wuchs von Wasserpflanzen stark zugenommen. Gründe sind mehr Sonnenstunden und die damit verbundene Wassererwärmung, insbesondere im Bereich des Seebeckens. Im Spätsommer werden ganze Seegras-Teppiche von mehreren Metern Durchmesser vom Vierwaldstättersee her angeschwemmt und verstopfen die vorgelagerten Einlaufrechen. Wenn der benötigte Durchlauf nicht mehr funktioniert, schalten die Maschinengruppen automatisch ab. Ein Gartenbauunternehmen entfernt im Herbst täglich mehrere hundert Kilo Seegras.

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Eine Rechenreinigungsmaschine mit Haken fördert das im Einlaufrechen angestaute Seegras zutage.
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Einige hundert Kilogramm Seegras werden im Herbst täglich entfernt und in der Grüngutsammelstelle entsorgt.

Eigenartiges Schwemmgut

Für Ludwig Hafner, Fachspezialist Inspektion und Wartung bei ewl, ist das Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz eine Herzensangelegenheit. Fast täglich kümmert er sich zusammen mit seinen Kollegen liebevoll und mit viel Hingabe um die Anlagen. Ein zuverlässiger und effizienter Betrieb ist ihm wichtig.

Natürlich muss er den Einlaufrechen hin und wieder von Schwemmgut, Unrat und toten Fischen oder Enten befreien. Sonderbare Gegenstände verfangen sich hier hauptsächlich während der Fasnacht: «Einmal mussten wir ein mobiles Toilettenhäuschen entfernen. Wir haben auch schon ganze Festbankgarnituren oder einen Heuballen aus dem Wasser gefischt.» Mit einem Lachen im Gesicht und einer Ölkanne in der Hand verschwindet er wieder im markanten roten Maschinenraum.

Weniger ist mehr
Hätten Sie's gewusst?
Viel Wasser wirkt sich negativ auf die Stromproduktion des Kleinwasserkraftwerks Mühlenplatz aus.

Im Winter herrschen bessere Bedingungen

Im Sommer, bei geöffnetem Nadelwehr, ist das Gefälle eher klein (ca. 60 Zentimeter). Im Winter, wenn das Nadelwehr die Reuss mehr staut, ist das Gefälle mit zu zwei Metern hingegen grösser, so dass trotz gesamthaft weniger Wasser eine höhere Leistung erzielt werden kann. Mehr als die Hälfte der Jahresproduktion des Kraftwerks Mühlenplatz wird deshalb im Winter gewonnen.

Beträgt die Höhendifferenz weniger als 60 bis 80 Zentimeter, stellt die Anlage ab. Nach Absprache mit dem Zimmerwerk kann auf Segelbetrieb gestellt werden. Die Anlage produziert keinen Strom mehr.

Ökologische Aufwertungen

Für viele Wasserlebewesen sind das Kleinwasserkraftwerk und das Reusswehr unüberbrückbare Hindernisse. Die Fischtreppe und die Biberrampe ermöglichen den Tieren ihre natürliche Wanderung.

Die Fischtreppe gewährleistet die Fischgängigkeit

«Ein Wasserkraftwerk muss zahlreiche gesetzliche Vorgaben erfüllen. So sind wir zum Beispiel verpflichtet, die Fischgängigkeit zu gewährleisten», sagt René Buob, Leiter Netz- und Kraftwerksführung bei ewl.

Der Fischpass sichert die ökologische Vernetzung zwischen Reuss und Vierwaldstättersee. Es gibt Fischarten, die in ihrem Lebenszyklus fliessendes und stehendes Wasser brauchen. Wehranlagen und Turbinen unterbrechen die Wanderung dieser Fische zwischen der Reuss und dem See. Der Fischpass ermöglicht es den Fischen, dieses technische Hindernis zu überwinden. Im Kraftwerk wurde ein Fischfenster eingebaut, durch dessen Panzerglas die wandernden Fische im Fischpass beobachtet werden können.

Seeforellen verlassen im Herbst den Vierwaldstättersee, um sich im November und Dezember in der Reuss fortzupflanzen. An kiesigen Stellen deponieren sie ihren Laich und kehren nach der Eiablage wieder in den See zurück. Die jungen Seeforellen bleiben ein bis zwei Jahre in der Reuss, um dann in den See aufzusteigen. Drei Jahre später kehren auch sie als fortpflanzungsfähige Elterntiere in die Reuss zurück. Der Lebenskreis hat sich damit geschlossen.

Steigen Fische Treppen hoch?

Die Energie-Tatorte-Trails der Stadt Luzern beginnen beim Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz. Können Sie alle Rätsel lösen?

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Durch ein Guckfenster im Innern des Wasserkraftwerks können Fische auf ihrer Wanderung beobachtet werden.
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Blick auf den Fischpass.

Ein Laufsteg für den Biber

In der Schweiz leben ungefähr 3500 Biber, rund 75 davon im Kanton Luzern. Die meisten hiesigen Biberreviere sind im Bereich der Reuss und deren Seitenbäche angesiedelt. Auf der Suche nach einem geeigneten Lebensraum schwimmen die Tiere oft flussaufwärts. Auf ihrer Wanderung stellt das Kleinwasserkraftwerk Mühlenplatz ein unüberwindbares Hindernis dar. Das veranlasst die Nager dazu, den weiträumigen und lebensgefährlichen Umweg über Land anzutreten.

Pro Natura und die Dienststelle Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern haben das Projekt «Biberrampe» ins Leben gerufen. Ein hölzerner Auf- und Abstiegssteg mitten im Kleinwasserkraftwerk ermöglicht den geschützten Wildtieren eine sichere Wanderung flussauf- und abwärts. Die installierte Fotofalle mit Bewegungsmelder dokumentiert die Wege der Biber.

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Die Biberrampe ermöglicht den Nagern die sichere Passage zwischen Fluss und See.
Auch diese Personen sind für die Luzerner Holzbrücken im Einsatz
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