Ein Zeichen der Herrschaft
Berthold von Steinbrunn war ein ehrgeiziger, machtbewusster Kriegsherr und als Erbauer von Burgen und Stadtbefestigungen bekannt. So auch im Elsass, wo es mehrere Stadtschlösser mit achteckigem Grundriss – wie beim Wasserturm – gibt, quasi die nächsten Verwandten des Luzerner Wahrzeichens. Dies ist nur eines von mehreren Indizien, die auf den Murbacher Abt Berthold von Steinbrunn als Bauherrn des Wasserturms hindeuten. Der mächtige, wehrhafte Turm mitten im Fluss stellte ein Zeichen der Herrschaft dar. Als Wehrturm und damit Teil der Stadtbefestigung dürfte er kaum gedient haben.
Erst aus dem 14. Jahrhundert sind genaue Jahreszahlen bekannt: Dendrochronologische Messungen an Holzbalken im Obergaden und im Dachstuhl des Turms ergaben das Jahr 1339. Das Dach des Turmes dürfte indessen deutlich jünger sein als der gemauerte Turmschaft. Im Jahr 1367 wurde das Bauwerk in der Reuss erstmals schriftlich erwähnt. Der Name «Wasserturm» tauchte 1397 zum ersten Mal auf.
Im Dunkeln eingesperrt
Ganz unten im Wasserturm befindet sich der dunkelste aller Räume – das Verlies ohne Türen und Fenster. Bis ins 18. Jahrhundert dient das unterste Geschoss als Gefängnis. Der Zugang ist einzig durch eine Öffnung im Boden der über dem Verlies liegenden Schatzkammer möglich. Kein Licht dringt ins Verlies ein, wenn diese Öffnung geschlossen ist. Die Insassen befanden sich in absoluter Dunkelheit, ohne Möglichkeit zur Flucht. Das Verlies ist 5,5 Meter hoch und hat keine Treppe oder ähnliches. Die Gefangenen wurden auf einem Knebel sitzend an einem Seil ins Verlies hinabgelassen.
Folter in der Schatzkammer
Über dem Verlies befindet sich die Schatzkammer. Dieser Raum wurde freilich zuerst als Gefängnis sowie als Folter- und Verhörkammer genutzt. Nur zwei kleine Scharten lassen etwas Tageslicht hinein. Der Staatsschatz wurde erst 1759 in die Schatzkammer gebracht. Vorher lagerte er in der darüberliegenden Turmstube. Sie verfügt rundherum über Fenster und ist damit der hellste Raum des Wasserturms. Das Gewölbe der Turmstube wurde erst nachträglich eingebaut, wie in der Schatzkammer und im Verlies auch. Zwischen dem Gewölbe und dem Fussboden der Turmstube entstand so eine schmale Geheimkammer, die bei ihrer Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert allerdings leer war.
Gewaltige Dachkonstruktion
Auf dem gemauerten Turmschaft befindet sich der hölzerne Obergaden und das pyramidenförmige Dach des Wasserturms. Der Obergaden ragt auf allen Seiten rund einen Meter über das Mauerwerk hinaus. Zunächst war er eine offene Wehrplattform, bevor er wahrscheinlich im 15. Jahrhundert zum geschlossenen Obergaden wurde. Jede der acht Seiten verfügt über zwei quadratische Fensteröffnungen mit Klappläden. Ende des 15. Jahrhunderts erhielt der Obergaden einen Aufzug mit ausschwenkbarem Arm, damit Waren direkt vom Schiff nach oben transportierten werden konnten. Der Obergaden ist 3,3 Meter hoch und gegen oben vollständig offen. Der Blick in den Dachstuhl offenbart die Ausmasse des achtseitigen Pyramidendachs mit einer Höhe von fast zwölf Metern.
Schatzkammer, Gefängnis
und Stadtarchiv
Im Inneren des Wasserturms spielten sich im Laufe der Zeit viele Dramen ab. Nebst einem Beobachtungsposten war er über Jahrhunderte hinweg ein Gefängnis. Zwischen 1397 und 1803 dienten die verschiedenen Räume des Wasserturms – allen voran das Verlies – als Kerker, Verhör- und Folterort. Es mutet seltsam an, dass im selben Bauwerk auch der Staatsschatz eingelagert war. Prompt kam es Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem spektakulären Raub.
Zehn Jahre lang den Staat bestohlen
Schauplatz ist die Turmstube: 1758 wurde bemerkt, dass sich zwei Staatsbedienstete während zehn Jahren am Luzerner Staatsschatz bedient hatten. Über 50’000 Gulden entwendeten sie und ihre Komplizen. In die Turmstube gelangten sie durch ein Loch im Dachboden. Die aus Säcken gestohlenen Münzen ersetzten sie durch Steine und Sand. Deswegen fiel der Raub über viele Jahre hinweg nicht auf. 1798 wurde der Staatsschatz teilweise in die helvetische Staatskammer und in die kantonale Verwaltungskammer verlegt. Die Turmstube wurde in der Helvetischen Republik (1798 bis 1803) ebenfalls als Gefängnis genutzt. Erst danach kehrten im Wasserturm ruhigere Zeiten ein. Der Wasserturm diente noch einem weiteren Zweck: Bereits 1401 wurde er erstmals als Archiv erwähnt. Das Luzerner Stadtarchiv befand sich bis 1919 in der Turmstube.
Tierische Gäste
Der Wasserturm beherbergt seit jeher tierische Gäste. Zuerst bauten Störche ihre Nester auf der Spitze des Wasserturms. Seit Ende der 1880er-Jahre ist das Storchennest aber verlassen. Heute können rund um den Wasserturm die spektakulären Flüge der Alpen- und Mauersegler beobachtet werden. Jeweils im Frühling erreichen die Flugkünstler ihr Sommerquartier in Luzern. Sie nisten im Obergaden und ziehen im Wasserturm ihren Nachwuchs auf.
Den Brand überstanden
Dass die Mauer- und Alpensegler noch im Wasserturm hausen können, ist der massiven Bauweise des Wasserturms zu verdanken. Er hält dem Brand der Kapellbrücke im Jahr 1993 stand. Durch die enorme Hitzeeinwirkung platzten zwar vereinzelt Steine ab, der Obergaden und das Dach aus Holz blieben hingegen weitgehend verschont – auch dank des beherzten Eingreifens der Feuerwehr.
Das kommt dem Artillerieverein Luzern zugute, der seit 1937 im Wasserturm eingemietet ist. In der Schatzkammer (heute Rüstkammer genannt) befindet sich die umfangreiche Waffensammlung des Vereins. Die Turmstube (heute Artilleriestube) nutzen die Mitglieder als Versammlungsraum.
ist geschlossen
jederzeit begehbar ist, sind Besuche des
Wasserturms nur bedingt möglich.
Führungen des Artillerievereins
Wer den Wasserturm von innen erleben möchte, muss sich an den Artillerieverein Luzern wenden. Dieser bietet Führungen an und vermietet seine Räumlichkeiten für Anlässe. Öffentlich zugänglich ist der Wasserturm nicht. Dafür entschädigt die wunderschöne Aussenansicht von Wasserturm und Kapellbrücke. Nicht umsonst ist die Kombination eines der beliebtesten Fotosujets der Schweiz.
Informationen für Besucherinnen und Besucher
- Der Turm ist nicht öffentlich zugänglich
- Der Artillerieverein Luzern bietet Führungen an
- Free WiFi rund um den Turm
- Öffentliche Toiletten in der Nähe